Chronik

Die Planungen für eine „Bezirksschule Oberzent“ begannen bereits Mitte der 1950er Jahre

Viele Ehemalige werden erstaunt schauen: Seit 1968 gibt es schon ihre Schule. Die Oberzent-Schule auf der „Heumatte“ prägte schon Generationen von Kindern aus der neuen Stadt Oberzent, die früher aus den selbständigen Beerfelden, Rothenberg, Sensbachtal und Hesseneck kamen – und vor der Gebietsreform aus noch mehr Kommunen im südlichen Odenwaldkreis.

Die ersten Planungen für eine „Bezirksschule Oberzent“, mit der der Name der fusionierten Stadt lange vor ihrer Gründung vorweggenommen wurde, starteten bereits 1953. Im Jahr 1953/54 werden in alten Zeitungsartikeln erstmals solche Überlegungen genannt. Damals hatte sich die hessische Landesregierung auf die Fahnen geschrieben, die schulischen Verhältnisse auf dem Land „wesentlich zu verbessern“.

1961 kam das Projekt durch das Bestreben des Odenwaldkreises wieder ins Rollen. Der hatte zwei Mittelpunktschulen in Höchst und Sandbach auf den Weg gebracht und wollte nun auch im Bereich Beerfelden eine Bezirksschule für die Oberzent errichten. Bis zum vierten Schuljahr sollten die Kinder möglichst am Wohnort die Grundschule besuchen und dann nach Beerfelden wechseln. Damit der Weg dorthin einfacher wurde, übernahm das Land die Transportkosten. Die Schülerinnen und Schüler wurden mit dem Omnibus abgeholt und wieder nach Hause gefahren.

Immer wieder ist die Rede davon, dass den Kindern „die Tore für eine bessere Zukunft“ offen stehen sollen, indem sie eine bessere Schulbildung erhalten. Volksschule, Mittelpunktzug und Höhere Schule waren im neuen Schulzentrum angedacht. Zwei Förderstufenklassen ab dem fünften Schuljahr sollten sie in die verschiedenen Schultypen hineinwachsen lassen. „Eine Schule, in der alle Kinder die gleichen Startmöglichkeiten haben, eine Schule aber auch, in der jedes Talent zum Durchbruch kommen kann“, wollten die Gründungsväter, durchdrungen von hehren Idealen, schaffen. Träger sollte der Schulzweckverband „Oberzent“ sein.

Nachdem sich das Gremium mit 14 Gemeinden konstituiert hatte und die Grundstücke mit einer Fläche von 2,2 Hektar zur Verfügung standen, ging es Ende 1964 an den Architektenwettbewerb. Der erste Spatenstich ging dann am 16. September 1965 über die Bühne. Der damalige Beerfeldener Bürgermeister Hermann Ackermann nannte diesen „einen historischen Augenblick“.

Rund 800 Kinder aus Beerfelden, Airlenbach, Falken-Gesäß, Gammelsbach, Finkenbach, Güttersbach, Hebstahl, Ober- und Unter-Sensbach, Olfen, Hetzbach, Raubach, Rothenberg und Etzean sollten die Schule besuchen, lautete die Prognose. Für den Realschulzug waren 140 Schüler vorgesehen. Auch beim Raumprogramm gab es andere Dimensionen: Von 17 Normal- und vier Großklassen war die Rede. Dazu kamen noch Räume für die selbstständige Sonderschule.

So viel Gebäude kostet Geld: Die Baukosten wurden auf 5,2 Millionen Mark beziffert, wozu unter anderem das Land 3,8 Millionen und der Kreis 150.000 Mark zusteuerten. 570.000 Mark kostete die Inneneinrichtung, die unter anderem mit einer Landesbeihilfe von 396.000 Mark und einem Kreiszuschuss von 25.000 Mark bestritten wurde.

Die Inbetriebnahme, zuerst für 1967, dann im Februar 1968 vorgesehen, erfolgte schließlich Anfang März 1968. „Aus den 18 Verbandsgemeinden der Oberzent besuchen zur Zeit 690 Schüler diese neue Schule“, hieß es. Erste Schulleiter waren Rektor Heinrich Berger und Studiendirektor Willi Allmann. Anfang Juni gab es eine große Feierstunde. Bei der Einweihung zeigten sich die Beteiligten froh über die „glückliche Lösung“, dass Haupt-, Real- und Sonderschule nebst Gymnasium unter einem Dach die Weiterentwicklung zur Gesamtschule ermöglichten – was dann 1970 erfolgen sollte.

Oberzent-Schule mit Modellcharakter in Hessen

„Die Gesamtschule hat Modellcharakter für ganz Hessen“, hieß es Anfang 1977 in einer örtlichen Tageszeitung. Da gab es die Oberzent-Schule auf der „Heumatte“ bereits seit fast zehn Jahren, als integrierte Gesamtschule (IGS) existierte sie seit 1970. 924 Schülerinnen und Schüler aus der gesamten Oberzent besuchten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in 32 Klassen die Lernanstalt. Eine Delegation von Schulamt und Regierungspräsidium besuchte damals die Schule und ließ sich über das Erreichte informieren, denn in der Oberzent entstand 1970 eine der ersten Schulen dieser Art in Hessen.

In Beerfelden waren die Verantwortlichen stolz auf ihr Wirken. Ende der 60er Jahre erreichten nur 20 Prozent der Schüler einen mittleren Bildungsabschluss. Mitte der 70er Jahre waren es bereits 56 Prozent. „Der planmäßige Unterricht an der Gesamtschule wird fast zu 100 Prozent erfüllt“, erläuterte der damalige Direktor Karl Lebert. Dazu waren auch alle Stellen besetzt.

Die Idee eines horizontalen Schulsystems, in dem Haupt- und Realschule nebst Gymnasium nebeneinander existieren, hat seine Anfänge Ende der 60er Jahre. Mit ihm wollten die Initiatoren „vom Schulkindergarten bis zum Abitur die Ausbildung systematisch fördern“. Bildung könne nicht allein „auf die Heranzüchtung von Arbeitskräften“ beschränkt bleiben, sondern sollte die Menschen in die Lage versetzen, „ihr eigenes Leben selbstbewusst zu führen“. Deshalb wollte man im Zuge des Aufbruchs durch die 68er-Bewegung weg vom „starren und auf Auslese ausgelegten Prinzip der vertikalen Schularten“.

Der „Antrag auf Zulassung eines Schulversuchs mit integrierter Sekundarstufe ab dem siebten Schuljahr“, erstellt im Juni 1970 und bewilligt im Spätjahr, geht detailliert auf die soziostrukturellen Begebenheiten in der Oberzent ein. Er liefert den argumentativen Hintergrund für die Errichtung der Integrierten Gesamtschule ab dem 1. August 1970.

Bezug genommen wird auf die schulische Situation Anfang der 1960er Jahre, als nur 18 Prozent der Grundschulkinder auf weiterführende Schulen wechselten, obwohl nach Ansicht der Lehrer 42 Prozent des Jahrgangs geeignet gewesen wären. Diesem Aspekt wurde 1968 durch die Gründung der Mittelpunktschule Rechnung getragen, die eine Hauptschule mit Förderstufe, ein Gymnasium für die Klassen 7 bis 10 und eine Sonderschule umfasste.

Der Beginn des Schuljahrs 1970/71 wurde als beste Gelegenheit gesehen, „die Schulverhältnisse in diesem Raum (Oberzent) so zu verbessern, dass allen Kindern optimale Bildungsverhältnisse angeboten werden können“. Denn im ländlichen Gebiet war für die Initiatoren des Projekts der gesellschaftspolitischen Forderung nach Durchsetzung einer echten Chancengleichheit „in besonders ausgeprägtem Maß“ dringend nachzukommen. Bezug genommen wird auf die sozioökonomischen und -kulturellen Bedingungen: „Das Gebiet der Oberzent ist wirtschaftlich überwiegend agrarisch geprägt“, heißt es. Kleine und mittlere Industriebetriebe sind nur in Beerfelden vorhanden. Die Anstrengungen zur Verbesserung der Infrastruktur liefen, aber wegen der ungünstigen Verkehrslage und der relativ dünnen Besiedlung „kann für die nächste Zeit nur mit kleinen Fortschritten gerechnet werden“.

Zum Schuljahresbeginn 1968/69 war für die fünften Klassen die Förderstufe eingeführt worden, von 240 Schülerinnen und Schülern besucht. Im folgenden Schuljahr kamen noch einmal 180 Kinder dazu. „Die Gesichtspunkte der Koedukation, des Zusammenlebens konfessionell verschiedener Gruppen, der sozialen Streuung, der unterschiedlichen Begabung und Leistung „wurden weitgehend beachtet“, so der Antrag. Deshalb hätten die elf Klassen „annähernd gleiche Ausgangschancen“. Das Ziel, alle Lernenden zu fördern, „kann als erreicht angesehen werden“, so das positive Fazit.

Der Erfolg des Kernunterrichts in der IGS wird herausgestellt, weil er dabei hilft, die soziale Integration zu verwirklichen. Damit wird die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler gefördert, in einer Gruppe zu arbeiten, die Kommunikation vorangetrieben und die Akzeptanz der Unterrichtsbeiträge aller gefördert. „Der Kernunterricht wirkt sich positiv auf die soziale Interaktion von Schülerinnen und Schülern verschiedener sozialer Schichten aus“, so die Erkenntnis. Lediglich zu große Klassen behinderten dieses Ziel (5. Schuljahr 36, 6. Schuljahr 39 Kinder).

Meilensteine in der Entwicklung der Oberzent-Schule

  • 1968 Bau der Schulgebäude und Turnhalle „Auf der Heumatte“

  • 1969 „Schulzentrum Oberzent – Volks- und Realschule Beerfelden“,  5. Klassen kommen aus den umliegenden Volksschulen in die Förderstufe

  • 1970 Integrierte Gesamtschule (IGS)

  • 1971 „Gesamtschule des Landkreises Erbach“, Neubau des Hallenbads

  • 1974 Neubau des C-Baus

  • 1982 Neubau der Pausenhalle, Musikräume, Schülerarbeitsräume (SAR), Lehrerzimmer

  • 1983 Neuer Name „Oberzent-Schule“

  • 2006 Sanierung und Erweiterung alter Gebäude zur Mensa

  • 2009 Bushaltestellen werden neu angelegt, Erweiterung des Lehrerzimmers

  • 2014 Neubau des Hallenbads

  • 2016 Neugestaltung des naturwissenschaftlichen Bereiches

  • 2018 Sanierung des P-Baus

  • 2022 Neugestaltung des C-Baus

Wertschätzung spielt an der Oberzent-Schule eine ganz große Rolle

Wertschätzung wird an der Oberzent-Schule ganz groß geschrieben. Heutige und ehemalige Schülerinnen und Schüler, derzeitige und frühere Lehrerinnen und Lehrer blicken mit Dank auf das, was ihnen die Lernanstalt auf der „Heumatte“ fürs Leben mitgab und mitgibt. Ein besonderes Merkmal der Schule ist die Vielzahl ihrer Pädagogen, die früher selbst einmal an gleicher Stelle die Schulbank drückten und jetzt auf der „anderen Seite“ stehen.

„Oberzent ist die erste Stadt, die nach einer Schule benannt worden ist“, schmunzelt Schulleiter Bernd Siefert, seit 2016 im Amt und ebenfalls ehemaliger Schüler. „Wir als Schule leben das gemeinsame Miteinander schon lange“, betont er. Die Leitung „ist für mich eine Herzensangelegenheit“, so der Direktor. Bei allen Überlegungen gilt es seinen Worten zufolge, den Blick auf die Lernenden und das Lernen richten. „Abläufe evaluieren, Bewährtes beibehalten, Verbesserungen einbringen, unsere Schule gut aufstellen“: So beschreibt er den Leitfaden des Handelns.

Die Schulbank auf der Heumatte drückte gemeinsam mit Siefert auch Stefanie Brand, heute Leiterin der Schillerschule Viernheim. „Ich habe mich dort immer sehr gut aufgehoben gefühlt“, sagt sie. Quer durch alle Gesellschaftsschichten lerne man gemeinsam. „Dies ist gerade im sozialen Lernen ein enormer Zugewinn und macht fit fürs Leben.“ Beim Wechsel aufs Gymnasium in Michelstadt stellte sie in der elften Klasse fest, dass in einigen A-Kursen das Oberzent-Niveau höher war als die Anforderungen dort. „Das machte den Wechsel für mich sehr leicht“, so Brand. Sie bedauert, dass es an ihrem heutigen Wohnort Lampertheim leider keine Integrierte Gesamtschule gibt. Die Entscheidung am Ende von Klasse 4 für eine Schulform „sehe ich als Nachteil an, da somit sehr frühzeitig Entscheidungen getroffen werden, die nicht für jedes Kind zu diesem Zeitpunkt eindeutig ausfallen können“. An einer IGS seien die Übergänge fließend, führten nicht zu Schulwechseln und „es kommt somit nicht zu Brüchen in Bildungsbiographien“.

„Bereits als Schüler lernte ich den ‚familiären‘ und vertrauensvollen Umgang zwischen Lehrern und Schülern zu schätzen“, sagt auch der ehemalige Schüler Stefan Reinhardt, heute bei der OREG tätig. Die ehemaligen Schulsprecher Tom Jahn und Moritz Ondruch schätzen das freundliche und herzliche Miteinander von Schülern und Lehrern. Sie heben die Offenheit untereinander und daneben die künstlerische Freiheit, die Angebote zur Freizeitgestaltung wie die Kunst- und Zirkus-AG hervor. Dazu gebe es viele Austauschprogramme – und dadurch die Möglichkeiten, die Welt zu bereisen.

Für die ehemalige Lehrerin Conny Frank, die auf vier Jahrzehnte in ihrem Beruf zurückblickt, gab es viele Gründe, als Düsseldorferin der OZS „auf dem Land“ treu zu bleiben: gute Luft, hervorragende, inspirierende Stimmung im Kollegium, familiäre Atmosphäre in der Schüler- und Lehrerschaft, wertschätzender und vor allem humorvoller Umgang miteinander, beschreibt sie ihre Eindrücke. „Mein Herz schlägt für die Oberzent-Schule“, so Frank. Das „Top-System“ sei offen und durchlässig. Jede Schülerin und jeder Schüler habe die Chance, sich in Ruhe so zu entwickeln, dass ihm alle Schulabschlüsse offen stehen. „Soziales Miteinander und Engagement prägen den Schulalltag.“

„Die Oberzent-Schule begleitet mein Leben seit 1981“, erzählt Sekretärin Gabi Neff. Generationen von Kindern aufwachsen zu sehen, sie zu unterstützen und für sie da zu sein, sei eine tolle Aufgabe. „Mein Mann und ich sowie die Kinder haben die OZS besucht“, sagt sie. Eine Schule für alle, „in der man sich wohl fühlt, gerne hingeht und die einfach in die Oberzent passt und gehört“.

Wilfried Schulz, heute Leiter des BSO in Michelstadt, ist der Oberzent-Schule seit seiner Jugend eng verbunden. Er gehörte nämlich zum ersten Jahrgang, sein Vater wirkte dort lange als Lehrer. Schulz durfte damals einen „historischen Schritt in der hessischen Bildungsreform miterleben“. Was heute eine Selbstverständlichkeit sei, dass eine breite Schicht von Schülerinnen und Schülern aufs Gymnasium geht, „war zuvor gerade im ländlichen Raum nicht vorstellbar“. Erst die OZS habe dieses Bildungsangebot ermöglicht.

„Die Oberzent-Schule war ein sehr wichtiger Teil unseres Lebens. Wir waren engagiert an der Entwicklung beteiligt“, betonen die ehemalige Lehrerin Ingrid Malsy (von Beginn an mit an Bord) und die früher Pädagogische Leiterin Johanna Käpernick-Krämer (seit 1971). „Es war eine Zeit des Aufbruchs. Wir waren ein junges Kollegium, für das Schule mehr war als nur ein Job“, sagen sie rückblickend.

Auch der jetzige Oberstudienrat Klaus Seeh war Schüler der Oberzent-Schule. Als er 1969/70 als Fünftklässler begann, „kam ich von der Grundschule Gammelsbach“. Es war für ihn eine große Umstellung und „alles sehr beeindruckend“. Er fand die Oberzent-Schule sehr modern und fortschrittlich. „Aber auch unsere neuen Lehrer haben uns sehr beeindruckt.“ Mit Ingrid Malsy „hatten wir eine tolle Klassenlehrerin. Sie war mir stets ein Vorbild, was mich sicher bei meiner Berufswahl auch beeinflusst hat.“ Als heutiger Lehrer an der Schule „erlebe ich hautnah, was sich alles geändert hat“, so Seeh. Es gebe viel mehr gekurste Fächer, Deutsch, Physik, Chemie kamen dazu. Berufsorientierung, Schulsozialarbeit, Inklusion und Vernetzung mit anderen Schulen seien neue Herausforderungen. Ebenso die demografische Entwicklung: „Waren wir zu meiner Zeit teilweise sechszügig, so haben wir heute einige zweizügige Jahrgänge.“ Schule müsse heutzutage wesentlich mehr Aufgaben für die Gesellschaft übernehmen als in den 60er Jahren.

„Unsere Schule ist ein Ort, an dem wir Schülerinnen und Schüler gesehen werden; an dem wir uns ausprobieren können und ein Stück erwachsen werden.“ Alicia Andryczka u. Marlene Ulrich (Schulsprecherinnen)