Oberzent-Schüler besuchen jüdischen Friedhof und Museum. Außerdem reinigen sie den Stolperstein für Herbert Creutzburg.
Am 24. März 1942 und im September desselben Jahres wurden Beerfeldener Juden deportiert, am 25. März 1945 wurde Unteroffizier Herbert Creutzburg wegen angeblicher Fahnenflucht von den Nazis gehängt. An der Oberzent-Schule in Beerfelden wird immer dieser Jahrestage gedacht. Die Religionskurse reinigten in diesen Tagen den für ihn verlegten Stolperstein und gedachten der Ermordeten auf dem jüdischen Friedhof.
Vorgeschaltet war ein Ausflug ins jüdische Museum nach Frankfurt. Alle 55 Schüler des Siebener-Jahrgangs nahmen daran teil. Sie waren vom dort Gesehenen und Erlebten stark beeindruckt. Die große Ausstellung zum Judentum, bei der Gegenstände aus vergangener Zeit und die Thora zu sehen waren, blieben Jonas Wähling und Harry Klug besonders im Gedächtnis. „Wir haben viele Dinge über die jüdische Geschichte gelernt“, betonten sie.
Mit seiner Neuner-Religionsklasse besuchte Schulleiter Bernd Siefert auch den jüdischen Friedhof. Jüdische Mitbürger gab es in Beerfelden bis zum Beginn der Machtübernahme durch die Nazis viele. Bereits 1650 wurde eine jüdische Gemeinde im „Amt Freienstein“ erwähnt.
1933 wurden 105 gezählt. Sie wohnten über die ganze Stadt verteilt. Die meisten von ihnen waren Viehhändler. Durch Auswanderung der wohlhabenderen Juden und Wegzug waren es 1939 nur noch 21. 1942 fanden die Deportationen nach Auschwitz, Theresienstadt oder Majdanek statt. 2012 wurden auf Initiative von Schulleiter Bernd Siefert durch den Künstler Gunter Deming Stolpersteine wider das Vergessen in den Gehweg vor dem letzten Wohnsitz verlegt.
Vor sieben Jahren wurde vor der evangelischen Martinskirche der Stolperstein für Herbert Creutzburg verlegt. Vier Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner dort ermordet worden. Jedes Jahr wird der Gedenkstein von den Oberzent-Schülern bei einem Gedenken gereinigt. Angestoßen wurde die Stolperstein-Verlegung 2016 von den Religionsklassen mit ihrem (damaligen) Lehrer Bernd Siefert.
Der wurde von Verwaltungsmitarbeiter Helmut Ulrich im Zuge der Vorarbeiten für die Stolpersteine vor den Häusern von jüdischen Einwohnern im Jahr 2012 erstmals auf die Creutzburg-Hinrichtung aufmerksam gemacht. Daraus entwickelte sich dann der Kontakt zum inzwischen verstorbenen Franz Ulm, der damals als junger Soldat zu Creutzburg in die Zelle gesperrt wurde, um dessen Selbstmord zu verhindern, und ihn auch auf dem Weg zum Galgen begleitete.
Durch seine Recherchen machte Siefert den damals schon über 90-Jährigen vor neun Jahren in Köln aus. „Franz Ulm konnte sich noch sehr gut an das Ereignis erinnern“, berichtet er. Dem ehemaligen Soldaten sei das „präsent gewesen, als ob es gestern war“. Das späte Gedenken durch die Stolperstein-Verlegung erlebte Franz Ulm aber nicht mehr: Er starb 2015. Creutzburgs hatte sich kurz vor Kriegsende unerlaubt von seiner Truppe entfernt. Er hatte genug vom Krieg, wollte zu seiner Verlobten und sich Heiratspapiere beschaffen. An der Bahnüberführung zwischen Gammelsbach und Eberbach wurde er von Feldgendarmen festgenommen, nach Beerfelden ins Gefängnis gebracht, von einem Standgericht zum Tode verurteilt und vor der evangelischen Kirche hingerichtet.
Der Oberzent-Schulleiter wies auf das „zynische Handeln“ der Verantwortlichen gegen einen jungen Mann hin, „der in den letzten Kriegstagen lediglich heim zur Freundin und diese heiraten wollte“. Genau am Tag der Hinrichtung habe sich der Befehlsgeber des Befehls von Mitte Februar 1945, dass Fahnenflüchtige hingerichtet werden sollten, Gauleiter und Verteidigungskommissar Jakob Sprenger, von Frankfurt von Südbayern abgesetzt.
Dies ist im Buch „Nationalsozialismus im Erbacher Landkreis 1923–1945“ von Dirk Strohmenger nachzulesen. Laut Strohmenger blieb der Leichnam des Unteroffiziers Creutzberg zur Abschreckung der Bevölkerung „noch einige Zeit am Baum zwischen dem Kriegerdenkmal und der Kirche hängen“. In Beerfelden sei das Standgericht der Heeresstreife 17 für das Urteil Fahnenflucht und Hinrichtung zuständig gewesen. Wie der Autor weiter schreibt, wurden die verantwortlichen Offiziere nach 1945 nie gefasst.
Der damalige Pfarrer May beobachtete die damaligen Ereignisse aus der evangelischen Kirche heraus und verurteilte sie aufs Schärfste. Bernd Siefert wies auf aktuelle Ereignisse hin. Wehret den Anfängen, so sein Tenor.