Die Oberzent-Schule in Beerfelden reagiert auf die Herausforderungen durch Corona mit Transparenz und neuen Ideen.
„Lernen in herausfordernden Zeiten“: So beschreibt Oberzent-Schulleiter Bernd Siefert die aktuelle Situation. Projektwoche, Schnupper- und Pädagogischer Tag: Nichts ist so, wie es in den vergangenen Jahren war. Das erfordert viel Kreativität, aber auch die Mitwirkung aller Beteiligten.
Normalerweise, erläutert er, „würden wir jetzt eine Projektwoche durchführen und die Ergebnisse beim Schnuppertag präsentieren“. Aber eben halt nur normalerweise. Aktuell wäre es auch die Zeit, in der die Grundschüler der vierten Klassen aus ganz Oberzent in die gleichnamige Schule hineinschnuppern. Mit Stufenleiterin Heidi Domack stünde da ein Abtauchen im schuleigenen Schwimmbad und eine anschließende Stärkung in der Lehrküche an.
Entfallen wird Corona-bedingt auch die Infoveranstaltung, bei der sonst die Eltern einen ersten Eindruck vom zukünftigen Lernort ihrer Kinder gewinnen. Stattdessen wird Heidi Domack alle Grundschulen besuchen und eine Mappe für Viertklässler vorbeibringen. Darin befinden sich Schul-Flyer und Broschüre sowie ein Stick mit dem Imagefilm. „Wir gehen auf die Grundschulen zu, wir bleiben in Kontakt“, verspricht Siefert. „Wir stehen für persönliche Anfragen zur Verfügung.“
Die Oberzent-Schule hat auch in der Krise die Schüler und das Lernen im Fokus, erklärt er. Zur Umsetzung des Erziehungs- und Bildungsauftrags brauchen Schulen Planungssicherheit und Kontinuität, fordert Siefert. Kurzfristig getroffene und mitgeteilte politische Entscheidungen „machen es uns in herausfordernden Zeiten nicht einfach, besonnen und verantwortungsbewusst zu agieren“, bedauert er. Dadurch ist es schwierig, für alle am Bildungsprozess Beteiligten zufriedenstellende Lösungen zu finden und umzusetzen.
Der Schulleiter macht jedoch klar: „Wir versuchen transparent zu agieren.“ Nach bewährtem Muster werden Informationen veröffentlicht. Es gibt einen engen Kontakt zur Schülervertretung. Er weist auf die große Verantwortung hin: „Die Eltern haben uns ihr wichtigstes Gut anvertraut: ihre Kinder.“ Sorgen, Ängste, Bedenken, Anregungen der Erziehungsberechtigten werden ernstgenommen.
„Mehrfach wöchentlich telefoniere ich mit dem Schulelternbeiratsvorsitzenden Jochen Klug“, nennt Siefert ein Beispiel. Die Klassenlehrer pflegen engen Austausch mit den jeweiligen Eltern. Schulsprecherin Marlene Ulrich bestätigt: „Die Oberzent-Schule ist ein Ort, an dem wir Schüler gesehen werden. An dem wir uns ausprobieren können und ein Stück erwachsen werden.“
Die Oberzent-Schule versteht sich als Lern- und Lebensraum, „in dem die individuelle und ganzheitliche Entwicklung der Schüler gefördert wird“, verweist Schulleiter Bernd Siefert auf das Leitbild. Man richtet den Blick auf die vielfältigen Begabungen der Jugendlichen. In der Schulgemeinde begegnet man sich mit Respekt, Wertschätzung und Empathie.
„Digitalisierung – Quo vadis Oberzent-Schule?“ lautet der Titel des pädagogischen Tags. Schon einmal, 1999, unter der Leitung von Bruno Stracke und Johanna Käpernick-Krämer, wählte man diesen Begriff. „Auch damals wurden Weichen gestellt“, erinnert sich Siefert. Mit Jannik Krejca und Peter Seeh sind dieses Mal zwei IT-Experten von der Hochschule Darmstadt dabei, die in handlungsorientierten Workshops das Kollegium fortbilden – natürlich digital.
Der pädagogische Tag soll einen persönlichen Mehrwert, Wissenszuwachs und etwas „Greifbares“ vereinen, betont der stellvertretende Schulleiter Marcel Fischer. Da man sich momentan intensiv mit der Beschulung mittels Moodle vertraut macht, werden dazu Workshops und eine Fragestunde stattfinden. Die Lernplattform wird von Schülern und Lehrkräften nicht nur für den Distanzunterricht rege genutzt, sie dient auch dem persönlichen Austausch, weiß er.
Trotz der widrigen und sich ständig ändernden Umstände „sind wir an der Oberzent-Schule sehr engagiert, offen für die neuen Herausforderungen der Digitalisierung und haben stets bei unserem Handeln und Entscheidungen das Wohl und die Weiterentwicklung unserer Schüler im Blick“, sagt Fischer. Seine Abordnung ans Kultusministerium ist seit Ende Januar beendet, womit der Pädagoge nun in Vollzeit an der Oberzent-Schule präsent ist.
Siefert greift in diesem Zusammenhang auf ein Zitat des Neurobiologen Gerald Hüther zurück. Der ging 2011 auf das ein, was Kinder brauchen: nämlich Orientierungshilfen, um sich im heutigen Wirrwarr von Anforderungen, Angeboten und Erwartungen zurechtzufinden. Hüther versteht darunter „äußere Vorbilder und innere Leitbilder, die ihnen Halt bieten und an denen sie ihre Entscheidungen ausrichten“.
Das Wichtigste in der aktuellen Situation ist, „dass wir für alle Kinder da sind, ihre Ängste und Sorgen wahrnehmen und ihnen Chancen eröffnen“, hebt Siefert hervor. Er erinnert an die „Kurzschuljahre“ der älteren Semester und fügt schmunzelnd an: „Wer möchte bestreiten, dass aus ihnen etwas geworden ist.“
Die Schüler werden gestärkt aus der Krise herauskommen, meint der Schulleiter. Bestimmt konnte an einigen Stellen durchs Distanzlernen inhaltlich nicht die übliche Tiefe erreicht werden, denkt er, „aber ich bin sicher, dass Selbstständigkeit, Selbstverantwortung und das Lernen lernen individuell geschult wurden und werden“.
Trotz aller aktueller Einschränkungen: In den Abschlussklassen ist die Anschlussfähigkeit für weiterführende Schulen und Ausbildung gewährleistet, versichert Siefert. Trotzdem sehnen sich alle danach, wieder zusammen in der Oberzent-Schule vor Ort zu lernen und das Schulleben zu genießen.