Stationen sind an der ehemaligen Synagoge sowie der evangelischen und katholischen Kirche.
Gedenkveranstaltung der Oberzent-Schule mit Stationen an der ehemaligen Synagoge sowie der evangelischen und katholischen Kirche. (© Thomas Wilken)
Im November sind Friedensgebet und Gedenkrundgang bereits eine gute Tradition an der Oberzent-Schule. Stationen waren die ehemalige Synagoge sowie die evangelische und katholische Kirche. „Frieden im Kleinen und im Großen kann nur entstehen, wenn wir teilen“ hieß das Thema, unter dem sich 50 Schüler der zehnten Klassen zusammen mit ihren Lehrern auf den Weg machten. Die gelungene Veranstaltung wurde von Ethik-Fachleiter Erdogan Suna organisiert.
An der ehemaligen Synagoge, dem heutigen „S’Lagger“, lasen Amelie Zimmermann, Tuana Kafadar, Leni Bauer, Nele Edelmann, Antonia Naas und Magdalena Schinkel die Namen der letzten deportierten Juden aus Beerfelden laut vor. Gleichzeitig gingen sie mit Textbausteinen von Uri Kaufmann und Helmut Schmidt auf die damalige Zeit ein.
Uri Kaufmann beschreibt in seinem Buch „Die Beerfeldener Juden“ die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung über die Jahrhunderte. So gibt das „Landesadressbuch für das Großherzogtum Hessen“ aus dem Jahre 1905 ein anschauliches Bild von der Präsenz jüdischer Geschäftsleute in Beerfelden. Die meisten bezeichneten sich als Viehhändler.
Am 9. Dezember 1941 wurde die jüdische Gemeinde aufgelöst, so Kaufmann. In Beerfelden wurden am 24. März und am 27. September 1942 zwei Deportationen durchgeführt. Das Vermögen der übrig gebliebenen Juden wurde eingezogen, ihre Wohnungen beschlagnahmt. Sie wurden aus den Häusern geholt und auf dem Metzkeil in aller Öffentlichkeit auf Lastwagen aufgeladen.
Helmut Schmidt empfiehlt in seinem Werk „Religion in der Verantwortung“ zwei für jede individuelle, soziale und politische Ethik grundlegende Prinzipien: „Jeder Mensch ist menschlich zu behandeln“ und „Was du nicht willst, da man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Diese Regeln finden sich in jeder großen religiösen Tradition, sagt er. Man müsse der jungen Generation beibringen, dass Frieden kein naturgegebener Zustand ist. Weise Worte in der heutigen Zeit.
Schulleiter Bernd Siefert dankte in seiner kurzen Ansprache den Schülern des Zehner-Kurses Politik und Wirtschaft und den Siebener- und Neuner-Reliklassen, die im Vorfeld die Stolpersteine gereinigt hatten. Er gab einen Rückblick auf die Vorgänge während der Reichspogromnacht und erinnert an Wilhelm Heilmann, der sich damals geweigert hatte, die Synagoge zu sprengen.
Bürgermeister Christian Kehrer würdigte in seinen Grußworten die Oberzent-Schule, dass sie die wichtige Aufgabe der Pflege der Stolpersteine und der Erinnerung übernimmt. Er beleuchtete die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Beerfelden bis 1940/42. Bastian Foshag und Religionslehrerin Heidi Domack zündeten Kerzen an.
Pfarrer Roger Frohmuth nahm in der Martinskirche Bezug auf den Traum des Heiligen Martin. Nachdem der dem Bettler die Hälfte seines Mantels gegeben hatte, erschien Jesus ihm im Traum und sagte: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Zum Einstieg wurden zwei Lieder gemeinsam gesungen: „Einer ist unser Leben“ und „Danke für diesen guten Morgen“.
Der Vorsitzende der muslimischen Gemeinde in Beerfelden, Mevlit Erdogan, betonte: „Was damals passiert ist, ist zwischen Menschen passiert, die ihr ganzes Leben in Beerfelden verbracht hatten.“ Wenn Nachbarn schweigen, fühlt man sich im Stich gelassen, ging er nicht nur auf die damalige Situation ein. „Frieden geschieht, wenn man sieht, dass Unrecht geschieht und man sich zu Wort meldet“, hob er hervor. „Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde“, zitierte er Martin Luther King.
In der katholischen Kirche hielt Gabriele Maurer die Friedensandacht. Sie wies auf Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen hin. Nach dem Lied „Herr, gib uns Frieden“ hatte die Lesung die Offenbarung des Johannes zum Inhalt: „Und ich sah einen neuen Himmel.“ Friedensworte wurden per Zuruf durch die Schüler gesammelt: etwa Freundschaft, miteinander reden, Vergebung, Liebe, Zufriedenheit, Freiheit, Brücken bauen, Vertrauen. „Frieden im Kleinen und im Großen kann nur entstehen, wenn wir teilen“, sagte Maurer.
Am Ende zündeten alle Schüler eine Kerze an und überlegten sich, welchen Beitrag jeder Einzelne zum Frieden beitragen kann. „Unsere Friedenstour war eine informative, aufschlussreiche und berührende Aktion, die zum Nachdenken anregt“, bilanzierte der Zehntklässler und stellvertretende Schulsprecher Isaiah Wolf.